Mist, nach Layla jetzt Winnetou… interessant ist, dass schon Leute beginnen mit „die woke Szene möchte Winnetou verbieten, verbrennen, auf den Index setzen“. Tatsächlich gibt es indizierte Werke in Deutschland schon länger, z.B. „American Psycho“ und „Der kleine Sheriff Band 12“ waren durch die woke Szene in Form von Gerichten indiziert worden.
Erstmal: es geht nicht um Karl Mays Winnetou. Es geht um heute geschriebene Bücher, die sich der Figuren Karl Mays bedienen und als „Buch zum Film“ vermarktet werden. „Bücher zum Film“ gehören im Normalfall nicht zu den besten verfügbaren Werken der Jetztzeit.
Was ist passiert? Es haben Leute ihre Meinung gesagt. Und die Meinung war über das Buch negativ. Das ist erstmal okay und gehört zur Meinungsfreiheit. Da es nicht um harte Fakten geht, sondern um Einschätzungen, muss man ihnen nicht recht geben. Wenn es viele Leute machen, kann man es meinetwegen auch Shitstorm nennen, wie es manche machen.
Man kann allerdings als Verlag sagen: okay, in der Gesamtbetrachtung erscheint uns die Veröffentlichung der Bücher dann doch negativ, das ist es nicht wert. Das ist dann eine unternehmerische Entscheidung.
Lustigerweise gibt es jetzt mindestens genauso viel Leute, die wegen der Absage einen Shitstorm auf Ravensburger loslassen und den Verlag boykottieren wollen. Das wird aber irgendwie nicht Shitstorm genannt.
Auch interessant ist, dass Leute glauben, dass eine kritische Analyse von Karl Mays Werk ihre Kindheit kaputtmachen würde. Wenn das Selbstvertrauen erstmal so im A… ist… tatsächlich könnte ich mir vorstellen, dass Karl May im Vergleich zu vielen Zeitgenossen sehr positiv wegkommen würde.
Insofern: der nächste Sturm im Wasserglas… wobei ich die Aufregung bei den Anti-Wokern mindestens als genauso groß empfinde wie von den „Wokern“.
Eine interessante Frage für mich wäre allerdings: würde Karl May seine Romane unter den gleichen Prämissen und mit dem gleichen Aufbau schreiben wie früher? Würde er die „jungen Winnetou“-Bücher gut finden?
Das ist je nach Autor sehr unterschiedlich. Neil Gayman hat wenig Probleme damit, Änderungen für andere Medien zu machen, wenn es Sinn macht. Astrid Lindgren hat sich gegen Änderungen in ihren Werken ausgesprochen – auch wenn die Umbenennung von Negerkönig zu Südseekönig inhaltlich keine Auswirkungen hat. In einer Diskussion wurde gesagt, dass man ja dann Herges Frühwerke nicht mehr abdrucken dürfte. Und tatsächlich ist Tim im Kongo oder Tim im Lande der Sowjets mit vielen Stereotypen und Rassismus gespickt. Aber: Herge entwickelte sich, wie man dann schon im Blauen Lotus sieht.
P.S.: ich bin übrigens nicht so der Karl May-Fan, Schatz im Silbersee war aber cool. Und den Marabut habe ich irgendwo auf Seite 4xx verlassen mit den Worten „Wer zur Hölle ist das denn wieder, und warum interessiert es mich überhaupt nicht“