Im Falle Kimmich kommen ein paar interessante Sachen zusammen. Deswegen will ich doch noch mal was zu schreiben.
Es gibt da einen schönen Satz zur Software-Architektur: „Wann treffe ich Architekturentscheidungen?“ Antwort: „So spät wie möglich, so früh wie nötig.“ Den gibt es wahrscheinlich nicht nur dort. Die Frage ist: wann ist der geeignete Zeitpunkt, um eine Entscheidung zu treffen? Und ganz ehrlich: da kann man sich verschätzen (mal abgesehen davon, dass man auch daneben liegen kann und eine falsche / eine zu späte / eine zu frühe Entscheidung treffen kann). Als die Impfungen auf den Markt kamen, hat mein Vater mich gefragt, ob ich mich impfen lasse. Meine Antwort war, dass ich mich noch nicht entschieden habe, sondern weitere Erkenntnisse abwarte – konnte ich mir damals gut leisten, weil ich ja eh noch nicht dran war.
Meiner Ansicht nach hat Kimmich seine persönliche Impfentscheidung zu spät getroffen. Das ist aber seine Sache und kann wie gesagt einfach auch passieren. Er hat bedeutende Fakten ignoriert bei seiner Entscheidung.
Auch das kann natürlich passieren. Was die Sache problematisch machte, war, dass er das öffentlich gemacht hat und sich dann andere auf diese Entscheidung stürzten – übrigens beidseitig, Impfbefürworter wie Impfgegner.
Dann muss man auf die Qualität der Aussagen gucken: es gab einige, die ihm Lücken in der Argumentation zurecht aufzeigten. Das war richtig und sinnvoll.
Dann gab es aber auch beidseitig viel Buh und viel Hurra, was nicht weiterbrachte.
Dann hat er es geschafft, auch noch krank zu werden. Auch hier gab es dann hin und wieder unangebrachte Häme – seine Entscheidung hat sich als ungünstig erwiesen, das hat aber jeder schon mal geschafft.
Vollkommen losgelöst davon sehe ich allerdings, dass einige Pressevertreter übertrieben haben und z.B. die Beerdigung seines Großvaters heimsuchten. Das hatte nicht wirklich was mit Corona zu tun, dass ist einfach asoziales Verhalten, das Teile der Presse seit Jahren zeigen.
Was Kimmich aber bei seiner „Beichte“ wieder zeigte, war ein interessantes Sendungsbewusstsein – er sprach über die Spaltung der Gesellschaft und „dass man die Leute nicht zwingen darf“. Natürlich ohne Alternativideen. Da habe ich mir schon gewünscht, dass er einfach mal nix gesagt hätte. Einfach mal „Ich habe mein Verhalten mittlerweile überdacht, danke, Ende der Pressekonferenz“ hätte mir besser gefallen. Auf der anderen Seite hat er natürlich das Recht, seine Meinung zu sagen. Und ich habe das Recht, die Meinung zu kritisieren. Selbst wenn ihn das nicht interessieren dürfte.