Wir Ungeimpften müssen die Geimpften doch nicht schützen!

Ich habe in den letzten Tagen mehrfach gelesen: „Wir Ungeimpften müssen die Geimpften doch nicht schützen!“.


Und die Antwort ist: „doch, müsst ihr“. Denn jeder Mensch in Deutschland ist dafür verantwortlich, die Rechte von anderen zu schützen, egal ob diese geimpft oder nicht geimpft sind. Dazu gehört auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wobei ich einschränken möchte: schützen müsst ihr nicht, aber ihr dürft sie auch nicht in ihrer körperlichen Unversehrtheit angreifen oder diese in Gefahr bringen.


Nur weil jemand sich stärker selbst schützt (durch die Impfung), fällt für niemanden diese Verantwortung weg.


Das Problem ist ja, dass die Ideen des Grundgesetzes, wenn man mal weiterüberlegt, gar nicht so einfach in der Umsetzung sind.


Art 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.


Generell steht hinter dem Grundgesetz die Annahme, dass man selbstverantwortlich lebt. Das geht weiter als Selbstbestimmung – es gehört dazu, dass man die Konsequenzen seiner Handlungen auf andere bedenkt und dafür die Verantwortung übernimmt. Impfgegner argumentieren gerne mit der körperlichen Unversehrtheit – sie gefährden aber stärker die körperliche Unversehrtheit von anderen als Geimpfte das tun.
Die Abwegung ist nicht einfach und bezieht sich nicht nur auf Corona. Wenn ich kränkelnd zur Arbeit oder zur Schule gehe, dann gefährde ich damit immer andere – auch wenn die Gefährdung vielleicht nur in einem Schnupfen mündet.


Und das ist immer eine Abwägungssache, bei der Leute unterschiedlich entscheiden. Und die Entscheidung kriegt man auch nicht standardisiert („Bei 3 Hustern pro Stunde bleibst Du zuhause“). Diese Unschärfe ist unschön, aber Realität.
Wenn ich nicht geimpft bin, ist mein Impact auf das Infektionsgeschehen potentiell größer als der Impact eines Geimpften, der sich – ab von der Impfung – so verhält wie ich (Natürlich hängt der Impact von weiteren Faktoren ab – z.B. Kontaktverhalten, Testverhalten – aber hier würde ich auch generell nicht behaupten, dass sich Nicht-Geimpfte im Schnitt ungefährlicher verhalten und z.B. mehr testen als Geimpfte). Der Impact besteht einerseits in der potentiellen Verbreitung des Virus, andererseits auch in der durchschnittlichen Nutzung von Resourcen des Gesundheitssystems.
Insofern ist es deswegen sinnvoll zu überlegen, Geimpfte und nicht Geimpfte unterschiedlich zu behandeln. Dazu gehört dann auch, dass man sich überlegen kann, die Kontaktmöglichkeiten von Ungeimpften zu beschränken, beispielsweise im Publikumsverkehr (also Einkauf) oder bei Veranstaltungen oder auch bei Zusammenkünften im privaten Bereich. Dann muss man sich allerdings überlegen, die Einschränkung möglichst gering zu halten.


Beispiel: Das Ziel beim Einkauf von Produkten des Alltäglichen wie z.B. Lebensmittel ist ja nicht der Einkauf, sondern die Erlangung der jeweiligen Resourcen. Wenn z.B. der Einkaufsmarkt die Möglichkeit bietet, dass man sich Sachen kostengünstig liefern lassen kann oder man sich durch Mitarbeiter die Sachen zusammenstellen lassen kann und nur noch bezahlen muss (bietet z.B. REWE in einigen Märkten), dann gibt es Alternativen für Nicht-Geimpfte, an die Objekte der Wahl zu kommen. Dann halte ich 2G in Lebensmittelgeschäften für machbar. Achtung: das sind jetzt nur Beispiele. Man könnte auch die Ungeimpften durch die Bundeswehr beliefern lassen…


Tatsächlich ist allerdings die Frage, ob das Risiko durch einen schnellen Einkauf wirklich so hoch ist – das würde ich bei Einhaltung der Regeln bezweifeln. (Wobei ich allerdings in vielen Fällen auch die Einhaltung der Regeln bezweifle…) Ich vermute, dass Maßnahmen wie Zwangs-Homeoffice für Berufe, in denen das möglich ist, größer sein wird.


Ich hätte ja gerne eine Welt, in der Leute selbstverantwortlich leben. Das ist sehr schwer – die Auswirkungen des eigenen Tuns sind schon im Nachhinein schwierig zu erblicken, in der Phase von der Überlegung zum Tun ist das noch schwieriger. Aber Hoffnung ist da, auch wenn der Umgang mit der Klimakatastrophe oder Meldungen über Leute, die mit Pferdeentwurmungsmitteln oder Chlorbleiche Corona-fest werden wollen, mich immer hart treffen…