Die Damenfussball-WM ist vorbei. Vielleicht nicht ganz, aber für uns. Wobei LIDL die Weltmeister-Brötchen noch nicht aus dem Angebot genommen oder umbenannt hat. Wie auch… Ausgeschieden-Brötchen… das klingt irgendwie unappetitlich.
Die WM war nicht ganz das, was ich erwartet habe. Frauenfußball – das war für mich gepflegter Fußball, Kampf, kein endloses Rumgewälze mit schmerzverzerrtem Gesicht bei zarten Berührungen, Technik. Und was kam? Spätestens im Nigeria-Spiel war mir klar: die Frauen sind den Männern nicht mehr 40 Jahren hinterher, sondern nur 13. Denn die zweite Halbzeit des Kanada-Spiels und das ganze Nigeria-Spiel erinnerte weniger an die deutschen Frauen der letzten Weltmeisterschaften, sondern an Erich Ribbecks Rumpeltruppe von 1998.
Schade. Die deutschen Frauen können es besser, und – an Erfolgen gemessen – auch besser als die deutschen Herren. Nur nicht zur rechten Zeit. Und deswegen kriegt Sylvia Neid jetzt volle Breitseiten ab. Weil man unglücklich in einer Verlängerung ausgeschieden ist gegen einen wirklich guten Gegner. Von Frauen sagt man, dass sie zickig sind, nachtreten, intrigieren… Und das passiert jetzt auch: der DFB-Vizepräsident Rolf Hocke greift Sylvia Neid an, Papa Prinz greift Sylvia Neid an, der ehemalige Prinz-Trainer Hans-Jürgen Tritschoks greift Neid an, Franz Beckenbauer verkündet aufgrund des schrecklichen Ergebnisses das Ende des Frauenfußball-Booms – und liebäugelt vielleicht zusammen mit Sepp Blatter mit dem Ende des Frauenfußballs, der eh nur die Frauen von ihrer Haupttätigkeit abhält: neue Fußballer produzieren. Man sieht: alle würden gute Klischee-Frauen abgeben.
Am Rande: Wer hat eigentlich die Brasilianerinnen nominiert, und wer hat in unserer Zeitung geschrieben, sie hätten klangvolle Namen? Klangvoll… Marta, Christina, Rosana, Daniele, Grazielle … zum Friseursalon fehlte nur noch Jaqueline.
Im heimischen Stadion bereiten mittlerweile die Stromkonzerne eine Verfassungsklage vor. Das ist leicht zu verstehen: die hatten eingerechnet, dass sie uns noch 20, 30 Jahre schröpfen können. Allein die Klage bringt sie weiter. Die Strompreise werden erhöht, weil Ökostrom so teuer ist – gehen Sie doch mal in einen Ökoladen – und die Klage bezahlt werden muss. Dann gewinnen sie den Prozess, scheffeln Millionen – davon wird aber nichts an die Kunden zurückgezahlt.
Jeder kleine Unternehmer muss mit Gesetzesänderungen zurechtkommen, ob es jetzt Anti-Raucher-Gesetze für Gastwirte sind, das 47. auszufüllende behördliche Formular für alle Unternehmen oder Schutzmasken für Arbeiter in Schokoladenherstellungshallen, damit diese nicht dick werden. Nur die Stromindustrie ist bisher gewohnt, alles in den Hintern geschoben zu kriegen. Die Abfallprodukte sind nicht mehr ihr Problem, die Endlagerung werden unsere Nachfahren bezahlen – wobei das nicht schlimm ist, die bezahlen auch unsere restliche Zeche. Auch das Geld ist nicht ihr Problem, denn wir haben eine spezielle Marktwirtschaft in der Stromindustrie: Preise werden diktiert wie weiland im Zunftsystem.
Wo anders kann eigentlich alles und wirklich alles benutzt werden, um den Preis zu erhöhen?
Der Stahl für die neuen Meiler ist nicht in Ordnung. Man rechnet mit höheren Strompreisen. Der Ölpreis ist gestiegen oder gefallen. Man rechnet mit höheren Strompreisen. Der Vattenfall-Chef hatte heute Morgen Verstopfung. Man rechnet mit höheren Strompreisen. Wie funktioniert das in der Marktwirtschaft sonst? ALDI: gestern ist uns ein Laster umgekippt. Wir rechnen mit höheren Butterpreisen?
Meine Oma hatte eine Theorie: wenn Kinder lange genug spielen, fällt der Schmutz irgendwann wieder ab. Das waren für sie die Selbstreinigungskräfte. Funktionierte zwar nicht, aber sie war glücklich.
Und genau die gleiche Qualität haben die vielbeschworenen Selbstreinigungskräfte des Marktes, ob es jetzt der Strom- oder der Finanzsektor ist.
Was hat sich durch Fukushima eigentlich geändert? Die Einschätzung des Risikos hat sich verschoben. Sonst nichts. Das Risiko war vorher genauso groß. Vielleicht sollten wir den Spieß mal umdrehen. Schadenersatz für die Zeit fordern, in der wir doch mehr in Gefahr waren als gedacht.
Wer jetzt über FDP und CDU lästert oder schimpft, weil diese eingeknickt sind: Wahlen sind die einzige Möglichkeit für uns zu sagen, was wir wollen. Somit haben sie ja alles richtig gemacht. Jetzt hoffe ich, dass das Volk auch alles richtig macht. Die FDP fordert Steuersenkungen. Ich möchte mich jetzt schon bedanken: Danke, dass meine Kinder später dann in Armut alt werden dürfen. Merkel fordert Sozialabgaben-Senkungen – die eh schon gesetzlich vorgeschrieben sind. Das kann Frau Merkel gut begründen: Um Gesetze haben wir uns doch noch nie gekümmert.
Und jetzt noch ein paar Namen:
Sabine Thurau. Präsidentin des LKA Hessen. Die Frau wurde jetzt vom Amt entbunden und hat wirklich das schlechteste Zeugnis bekommen, dass ich je in einer Zeitung lesen durfte. Nicht teamfähig, nicht führungsfähig, illoyal. Konsequenz: sie wird Leitende Ministerialrätin im Innenministerium. Dort braucht man keine Team- und Führungsfähigkeit und keine Loyalität. Das habe ich auch nie erwartet.
Schäuble. Behauptet allen Ernstes: wenn wir die privaten Gläubiger bei der Griechenland-Krise ins Boot holen, ist das zu gefährlich: ein neuer Zusammenbruch droht. Achtung: privat heißt in dem Zusammenhang Banken, nicht das alte Mütterchen mit seinen 10 Euro. Zusammengefasst: wenn ich Aktien kaufe, kann ich Pleite gehen. Wenn Banken Papiere kaufen, auf denen schon Pleite draufsteht, dann kriegen sie die Zinsen und wir zahlen den Rest. Oder: wir zahlen die Ackermanns der Welt, dafür gucken sie auf uns herab.
Kardinal Meißner. Hält Abtreibungen für einen schlimmeren GAU, als er durch Atomkraft je erreicht werden könnte. Da könnte man mal gucken, wie viele Aktien der Vatikan eigentlich an Vattenfall hat. Und ob direkt neben dem Kölner Dom eine Verstrahlungsquelle liegt.
UNO. Hat jetzt Deutschland stark kritisiert wegen seiner Gesellschaftspolitik. Einerseits: ja. Das ist berechtigt. Andererseits: Kritisiert wird unter anderem der Sozialstandard der Asylsuchenden – da könnte man einfach mal zum Vergleich in die Herkunftsländer gucken. Oder zum Beispiel: wie gehen eigentlich Länder wie die USA mit Migranten um? Oder dass ein Viertel der Kinder ohne Frühstück in die Schule geht… Die Anzahl der Menschen, die sich vom Geld her kein Frühstück leisten können, ist in diesem Land sehr gering. Ganz anders als in einer Menge von anderen Staaten. Die Anzahl von Menschen, die aufgrund von sozialer Inkompetenz ihre Kinder nicht richtig ernähren, dürfte allerdings sehr hoch sein.
Anders gesagt: wie kann man sich die UNO mit einer Aussage, die im Kern vollkommen richtig ist, noch so blamieren, in dem sie diese falsch belegt?
Koch-Merin. FDP-Politikerin im Doktortitelwahn. Behält ihr Europamandat. Begründet: „Ich habe da eh noch nie was gemacht, noch weniger kann ich einfach nicht.“
Apropos Koch-Merin. Als Ilse
Aigner sich wegen Google Street View mit der Datenkrake Google befassen
musste, sollen ihre ersten Worte gewesen sein: „Google – das ist doch
dieses Hilfsprogramm für Doktorarbeiten?“