Es kommt der Zeitpunkt, an dem die Jauchs und Elstners und Nuhrs – und wie sie alle heißen – im Fernsehen ihre Menschen des Jahres vorstellen. Mein Fazit ist einfacher, ich nehme nicht die Menschen, sondern die Tiere, Pflanzen etc. des Jahres. Ja, die gibt es wirklich – verschiedene Vereine küren ihre Favoriten. Wie das geschieht, bleibt mir ein Rätsel. Das geht schon bei der ersten los:
Die Blume des Jahres ist die Gemeine Wegwarte. Das ist eine Blume, die nur wenig Konkurrenz hat. Sie hat sich wahrscheinlich gegen Asphalt und Beton durchgesetzt, wird sich aber in den nächsten Jahren gegen die beiden nicht halten können. Ach so, ich höre gerade: Wiederwahl gibt es nicht. Ältere Mitglieder unsere besten möglichen Gesellschaft kennen die Gemeine Wegwarte vielleicht noch als Grundstoff für Muckefuck.
Wenn schon die Gemeine Wegwarte – gemein heißt Sie wahrscheinlich, weil sie nur mit Intrigen gewinnen konnte – Blume des Jahres ist, erwartet man als Vogel des Jahres die noch gemeinere Bordsteinschwalbe. Es ist aber tatsächlich der Kuckuck. Es liegt allerdings ein Schatten über seiner Wahl: man munkelt von Bestechungsgeldern durch die deutsche Uhrenindustrie. Gibt es eigentlich auch internationale Wettbewerbe: meine Damen und Herren, heute sehen Sie bei Vogel des Jahres den Schweizer Kandidaten, den Turmfalken und den Kuckuck als die Quelle der Deutschen Hoffnungen. Der Kuckuck konnte sich selbst entscheiden, ob er für Deutschland oder für Österreich startet. Er verließ Österreich, nachdem – natürlich nur seiner Meinung nach – sein dortiger Titel durch die Wahl der österreichischen Quellschnecke zum Weichtier des Jahres abgewertet wurde. Mal ganz ehrlich: welches normale Tier würde sich freiwillig bei der Siegerehrung neben die Quellschnecke stellen?
Es geht um normale Tiere. Politiker und ähnliche sind explizit ausgenommen: für ein gutes Foto in der Presse würden sich die meisten sogar beim Händedruck mit der Quellschnecke aufnehmen lassen. Obwohl diese Tiere glaube ich gar keine Hände haben.
Ups, da war ein Fehler: Die Wegwarte kommt erst noch, die muss noch warten. Sie ist erst Blume 2009. Warum das 2008 beschlossen wird, ist mir auch ein Rätsel. Der eigentliche Gewinner war: die nickende Diestel. Gelobt wird, wie diese Diestel wirklich bei allem Blödsinn nickt. Sie ist besonders beliebt auf den Hinterbänken des Parlaments. Die hessische SPD überlegt, ob man nicht in vielen Wahlkreisen lieber diesen Vogel anstelle der potentiellen Koalitionsbremsen einsetzen könnte.
Der Fisch des Jahres ist der Bitterling. Eigentlich dachte ich ja, man könnte ihn mit dem Tier des Jahres – dem Wisent – zu einem gemeinsamen Essen einladen, aber beide stehen auf der Roten Liste.
Der Lurch der Jahres ist der Laubfrosch, das Insekt des Jahres das Krainer Widderchen und der Schmetterling der Argusbläuling. Spinne des Jahres ist die „Große Winkelspinne“, gesponsort von der deutschen geometrischen Gesellschaft, der Baum des Jahres ist die Wallnuss. Ich frage mich, wie das bestimmt wird: in der ersten Runde zieht man den Bäumen Kleidung an, wartet auf Regen und beurteilt dann in einem Wet-T-Shirt-Contest, wer am besten aussieht. Anfänglich konnte die Hängeweide punkten. In weiteren Runden wie Bikini und Abendgarderobe konnte sich die Wallnuss jedoch heranschieben. Im Stechen musste jeder Baum dann eine Frage zum Weltgeschehen beantworten. Während die Hängeweide sich bei der Frage „Welche Möglichkeiten sehen Sie persönlich für die Verringerung des Treibhauseffektes“ einfach hängen ließ, konnte die Wallnuss auf die Frage: „Welche großen Errungenschaften sehen Sie in der Kanzlerschaft von Frau Merkel?“ mit einfachem Schweigen sämtliche Juroren überzeugen.
Die Orchidee des Jahres ist das zurecht übersehene Übersehene Knabenkraut, die Wasserpflanze ist der Gemeine Schwimmfarn und der Pilz des Jahres ist „Ein Bit“. Kleiner Scherz, es ist der Bronzeröhrling. Flechte des Jahres ist die Wolfsflechte, Moos des Jahres das „Hübsche Goldhaarmoos“. Die regionalen Streuobstsorten des Jahres sind die Wilde Eierbirne, der Ausbacher Rote, der Wohlschmecker aus Vierlanden und das Spanisch Braune. Ich glaube, das muss man nicht kommentieren, die Namen sprechen für sich. Beim Gemüse des Jahres konnte sich der Gartensalat halten und überraschend nach 2007 wieder die Meisterschaft erringen. Mit Spannung erwartet man das Jahr 2009. Der Brokkoli hat sich angekündigt, doch man weiß: der Salat schießt.
Die Heilpflanze des Jahres ist der Lavendel, die Arzneipflanze ist die Rosskastanie. Achtung: Heil und Arznei sind auch hier zwei unterschiedliche Gebiete und haben nichts miteinander zu tun. Die Giftpflanze des Jahres ist die amerikanische Vizepräsidentenkandidatin Sarah Palin, dicht gefolgt von Andrea Ypsilanti und der Herkulesstaude. Die übrigens muss bei den Stauden der Sonnenbraut den Vortritt lassen.
Die Flusslandschaft des Jahres ist die Nette – ja, da kann man nur sagen: nette Wahl. Und als Landschaft des Jahres hat sich zum zweiten Mal seit 2007 das Donaudelta gehalten, wahrscheinlich weil die Jury nicht wieder herausgefunden hat.
Der/Die/Das Entrepreneur des Jahres 2008 – fragen Sie nicht, ich weiß auch nicht, was das heisst – ist Michael Popp.
Strategen
des Jahres sind – von der Financial Times Deutschland vergeben – Erich
Sixt (von Sixt Autovermietung), Wolfgang Leese (Salzgitter AG) und Wulf
Bernotat (Eon). Dieser Preis wird übrigens aufgrund nachprüfbarer Fakten
vergeben, im Gegensatz zu den anderen Auszeichnungen dieser Art. Es
geht dabei um langfristige Strategien. Zu den Strategen des Jahres 2006
gehören übrigens Manfred Wennemer, dessen Firma Continental an der Börse
doch nicht so strategisch war und deswegen vom Feind Schaeffler vor
kurzen überrannt und übernommen wurde, und Klaus Zumwinkel, der
mittlerweile nur noch aufgrund der Telekom-Bespitzelungsaffäre und
seiner privaten Bankgeschäfte bekannt ist. Spitzname: „I.M.
Liechtenstein“.
Kommunikator des Jahres ist nicht das Iphone,
sondern Kardinal Lehmann. Obwohl die Telekom und LIDL bei der
Kommunikation den Vogel abschießen (glücklicherweise nicht den Kuckuck).
Da dürfen sogar Leute zuhören, die nie als Empfänger eingeplant waren.
Mit Erfolg: Die meisten LIDL-Mitarbeiter gehen gar nicht mehr aufs Klo,
damit wird wertvolle Arbeitszeit gespart. Und die Telekommitarbeiter
kurbeln die Konjunktur an, weil sie neben dem offiziellen Handy ihrer
Firma privat noch eins von der Konkurrenz besorgen, man will ja auch mal
ungestört telefonieren.
Das Kinderspiel des Jahres heißt „Wer war’s?“ und beschäftigt sich noch mal mit allen Unschuldigen der CDU-Spendenaffäre.
Die Braunerde ist Boden des Jahres, und wir alle wissen: auf brauner Erde gedeiht der Deutsche am Besten.
Bleiben wir bei der Erde: das Fossil des Jahres ist nicht Johannes Heesters, sondern ein versteinerter Riesenammonit namens Parapuzosia seppenradensis.
Das Wort und das Unwort des Jahres sind noch nicht gewählt, aber es gibt aussichtsreiche Kandidaten wie „Bankenkrise“, „Datenklau“ und „Wolfgang Schäuble“. Letzterer hat übrigens bei „Leuchte des Jahres“ den letzten Platz gemacht. Sieger war ein LED Lichtobjekt.
Der Witz des Jahres ist strittig. Im Internet findet man mindestens 100 davon. Die meisten haben mit Amerikanischer Außenpolitik zu tun.
So, und im Endeffekt war das jetzt alles so egal. Also so ähnlich wie bei Jauch und Co. Denn im Endeffekt interessiert uns ja nur noch ein Baum am Ende des Jahres: der Tannenbaum. Und der wird – wie in den letzten Jahren – an den meisten Orten eine Fichte sein. Dann mal frohes neues Jahr.
Moment – einen haben ich noch zum Schluss: der Kaktus des Jahres ist der Schwiegermuttersessel. Das gönne ich ihr.