Ich wollte gerade in meinen Porsche steigen – beladen mit Geschenken -, als zwei Typen in Leder auf mich zukamen. Beides war kein Zufall: die Geschenke nicht, denn es war der noch gar nicht heilige sondern hektische Morgen vor dem Heiligabend; und die beiden Rocker nicht, denn diese Kerle trieben sich häufig in dem kleinen Einkaufszentrum herum und belästigten alle, die dort einkaufen wollten. Ihnen war gleich, wenn sie malträtierten: die alte Oma, der sie die Geldbörse wegnahmen, oder dem kleinen Kind, dessen Lolli sie klauten, um ihn danach einfach wegzuwerfen. Aber dass sie noch nicht einmal den heiligsten aller Tage ehrten…
Beide waren groß und breit gebaut, zwei Halbstarke, höchstens 20 Jahre alt, aber genug Verunstaltungen am Körper für ein ganzes Leben. Der eine hatte sich die linke Gesichtshälfte mit einem Tattoo geschmückt – wobei geschmückt sicherlich der falsche Ausdruck war für einen lachenden Totenschädel -, der andere trug viele Ringe in den Ohren, der Nase und den Lippen. Er sah ungefähr so aus, als wäre in einen Stacheldrahtzaun gefallen und hätte sich danach nicht mehr die Mühe gemacht, das Metall zu entfernen. Der mit dem Totenschädel hatte dazu noch einen wilden Schnäuzer, der wie eine seit Jahren nicht gemähte Wiese aussah. Wäre sie grün gewesen, hätte man sich wenigstens noch daran erfreuen können, aber beider Haare waren so schwarz wie die Nacht – und ihre Klamotten.
Ich muss eingestehen, dass ich auch nicht so gewöhnlich aussah. Ich trug nämlich meine Berufskleidung. Den roten Mantel mit dem weißen Besatz hatte ich an, dicke, schwarze Stiefel – in dem Punkt waren wir uns ähnlich -, und natürlich trug ich die rote Mütze mit dem Bommel dran. Vervollständigt wurde das Bild durch meinen langen, weißen Bart und meine in den Jahren weiß gewordenen Haare. Ach so, unter dem Arm trug ich natürlich noch die Rute.
Die beiden hatten die Lage gut gecheckt. Hier, im hinteren Teil des Parkhauses, war momentan kein anderer zu sehen. Die meisten suchten hektisch einen Parkplatz in der Nähe der Geschäfte und kurvten lieber 15 Minuten um den Eingang herum anstatt hier parkend mal 3 Minuten zu laufen.
„Hey, Alter, rück mal schön raus.“ Das war der Totenschädel. „Ja, aber dalli.“ Der andere. Ich versuchte zunächst einmal Zeit zu gewinnen. „Was soll ich denn rausrücken?“ Währenddessen legte ich die Pakete vorsichtig auf das Wagendach. Der Totenschädel-Mann lachte: „Hey Opa, den Trick kenne ich. Geschenke, Geldbörse, Autoschlüssel. Ich zähle bis drei…„ „Sei kein ungezogener Lausebengel. Du willst doch nicht den Weihnachtsmann berauben, und das noch an Heiligabend.“
Jetzt grinsten beide. Die Sache schien ihnen Spaß zu machen. Widerstand gefiel ihnen, denn bei Widerstand gab es meistens Fressen zu polieren. Dennoch hatte ich noch Schonfrist – vielleicht aufgrund meines Alters: „Der Weihnachtsmann? He, du passt einfach nicht in diese Zeit, Opa! Der Weihnachtsmann ist out. Für unsere Geschenke und die Bescherung sorgen wir selbst.“
„Geschenke? Die bekommt ihr gewiss nicht. Ihr verdient nur die Rute. Könnt ihr überhaupt ein Gedicht aufsagen?“
„Na Alter, dann wollen wir mal.“ Der Totenschädel trat noch einen Schritt auf mich zu. „Eins.“ Er nahm seinen Schlagring fest in die Faust. „Zwei.“ Er holte aus. „Dr…“ Weiter kam er nicht. Die Rute traf ihn mit der Stockseite direkt auf den Solar Plexus. Während sein Kopf beinahe mechanisch nach unten ging – vielleicht um zu sehen, was passiert war – landete die Rute auf seiner Nase. Krachend gab das Nasenbein nach. Mit einem gezielten Tritt in die Weichteile beförderte ich ihn zur Seite. Wimmernd saß er auf dem Boden. Sein kleines Gehirn brauchte einige Momente um herauszufinden, wo der Schmerz am größten war. Dann fing er an zu schreien.
Der andere sah mit Erstaunen, was seinem Kameraden passiert war, und wollte mit dem Messer auf mich los. Ich wirbelte einmal – gestützt auf die Rute – um die eigene Achse und erwischte ihn mit einem Fuß an der Schläfe. Er flog 4 Meter durch die Luft, prallte gegen einen Pfeiler und rutschte förmlich an der Säule herab. Dann wurde er kurzzeitig ohnmächtig.
Ich ließ mir Zeit, verstaute meine Geschenke, säuberte noch mal die Vorderlichter meines Porsches und öffnete dann die Fahrertür. Dann beobachtete ich die beiden. Ich wartete, bis der eine aufgehört hatte zu schreien, und der anderer wieder etwas zu sich gekommen war. Belämmert und benebelt schauten mich die beiden an. Sie waren zu schwach, um sich zu erheben. Aus der Nase des ersten tropfte Blut, der zweite schielte.
„Glaubt ihr wirklich, der Weihnachtsmann ist nicht mehr zeitgemäß?“ fragte ich sie. „Oder er würde nicht mehr mit der Zeit gehen? Lernt mal draus, Jungs, ich muss jetzt zu meinen Rentieren.“
Tja, liebe Leser, ich bin wirklich der Weihnachtsmann. Dank 1500 Jahren Zinserlöse und neuerdings Immobilienfonds kann ich mir sogar einen Porsche leisten. Und weil ich nur einmal im Jahr Arbeit, habe ich auch viel Zeit für Selbstverteidigungskurse..
Eine Frage wird mir aber immer wieder gestellt: Warum ich zum Ausliefern noch meinen Rentierschlitten nehme? Nun ja: Prestige. Nostalgie. Gewohnheit. Und glauben Sie wirklich, man kann mit einem Porsche in einer Nacht eine Milliarde Kinder auf der ganzen Welt besuchen? Bei den heutigen Benzinpreisen?