Vor kurzem ist mir aufgefallen, dass ich nicht weiss, wie die Bäume heissen. Oder wie ihre Blätter aussehen. Ich weiss nicht, ob das wichtig ist. Ich weiss auch nicht, ob ich Kräuter kennen sollte. Oder ihre Wirkung. Nahrung kriege ich im Supermarkt. Heilendes kriege ich aus der Apotheke. Aber sollte ich es vielleicht trotzdem kennen.
Ich weiss eine Menge. Ich kann im Internet sogar nachgucken, welche Pflanzen es gibt. Und ich weiss, dass ich nicht alles weiss. Oder alles wissen kann. Aber was sollte ich wissen.
Auch auf der Arbeit weiss ich nicht immer alles. Noch nicht mal in dem was ich bearbeite. Ich weiss, wie ich es nachgucken kann. Das reicht eigentlich. Aber… reicht das wirklich?
Sollte man zufrieden sein mit dem was man weiss? Oder was man lernen kann? Oder könnte? Oder was man nachschlägt?
Was heisst eigentlich sukzessive? Oder subtil? Und vor allem: muss ich das wissen? Fremdwörter heissen Fremdwörter, weil sie deinem Leser auch fremd bleiben. Oder so. Auf der anderen Seite hilft es aber, solche Worte zu kennen, damit man versteht, was andere sagen. Wann heisst es eigentlich Wörter, wann Worte?
Manchmal kommt mir das Leben einfach vor, manchmal auch einfach kompliziert.
Wenn ich jetzt nach draussen schaue, schneit es. Schneeflocken sind immer sechseckig und immer anders. Das habe ich mal gelernt. Stimmt das? Und wie will man das wissen? Hat jemand eine Million Schneeflocken unter dem Mikroskop betrachtet? Oder glaubt man das nur? Der Fingerabdruck ist bei jedem Menschen anders. Wirklich?
Wir versuchen uns die Welt in Modelle zu fassen und glauben dann, die Welt müsste sich an unsere Modelle anpassen. Tatsächlich passen wir immer wieder unsere Modelle an. Doch wir glauben weiterhin an unsere Modelle. Wenn sie über 95% Wahrscheinlichkeit haben, gelten sie. Obwohl das heisst, das jedes zwanzigste Modell eigentlich falsch sein müsste.
Wissenschaft heisst Wissen schaft, weil sie Wissen schafft. Eigentlich egal, ob es wichtiges Wissen ist oder gar richtiges Wissen. Es ist geschaffenes Wissen.
Die Welt fällt vom Glauben ab. Es glauben immer weniger Leute. Sagen diejenigen, die es wissen müssen: die Wissensschaffenden und die Kirchen. Aber stimmt das? Vor kurzem gab es einen Tsunami. Gab es ihn? Es gab Bilder. Aber es gibt auch Katastrophenfilme. Es gab Big Brother. Von Orwell und von RTL 2. Gibt es ersteres schon? Ist letzteres wirklich so wie es gezeigt wird? Im Endeffekt kann ich nur akzeptieren, was ich glaube, nicht was ich weiss.
Glaube stört aber wieder die Wissenschaft. Es ist mehr wert zu sagen „Ich weiss“ als „Ich glaube“ oder „Ich glaube, dass ich weiss.“ Beweise schwieren durch die Gegend. Jemand schrieb „Es ist bewiesen, dass“ Doch den Beweis blieb er schuldig. Jetzt kommt es drauf an, ob ich es ihm glauben will.
Aber was helfen mir meine Überlegungen, wenn sie mir nur zeigen, dass ich selber gar nicht weiss, ob ich weiss oder nur glaube. Und ob „nur“ ein richtiges Wort ist. Oder ob es heissen müsste „sogar“. Und was soll ich meinem Kind erzählen, wenn es wissen möchte, was wirklich ist? Das ich es selbst nicht weiss?
Was soll ich meinem Kind überhaupt erzählen? Darf ich ihm schreiben beibringen, wenn er es möchte, nicht wenn er es sollte? Oder ihm Dinge beibringen, für die die Schule da ist? Mache ich etwas kaputt, wenn er mehr weiss als die anderen? Enthalte ich ihm vor, was er mit anderen erleben könnte? Oder gerade nicht?
Wissen verändert die Welt. Die Welt verändert das Wissen. Und ich weiss noch immer nicht mehr…