Auf meinen Reisen durch Kirson wurde ich angenehm überrascht. Entgegen dem Ruf des Landes ist die Priesterschaft sehr darum bemüht, der armen Bevölkerung zu helfen. Der Einfluß der Priesterschaft ist nicht unerheblich.
Von einem Priester erfuhr ich auch die Schöpfungsgeschichte, wie sich die Gläubigen der Méredelune den Beginn der Welt vorstellen:
„Am Anfang war der Schlafende Gott, und er träumte eine Welt. Auf dieser wandelten Götter und Menschen zugleich, bis eines Tages der BÖSE die anderen Götter vertrieb, in dem er auf die Welt sprang, daß sie zu zerspringen drohte; die Götter wurden in den Himmel getrieben, und er legte seinen Mantel um die Welt und diese in Schatten und Chaos. Doch die Hoffnung für die Menschheit wich nicht. Zwei Götter hatten sich in einer Höhle zum Liebesspiel gefunden, und so wurden sie nicht vertrieben, denn sie waren unter der Erde. Doch als sie das Elend sahen, taten sie Buße, und sie überqueren jeden Tag die Welt, um Licht zu spenden, so daß man den Mantel nicht zu sehen vermag; und als Sonne und Corona bringen sie den Menschen Trost.
Nachts jedoch müßten sich die Menschen unter dem Chaos beugen, wenn nicht Méredelune ein Loch in den Mantel geschnitten hätte, durch das sie strahlt in jeder Nacht. Doch sie vermochte es nicht, das Loch ganz zu schneiden, so daß der Stoff wie ein Luke herabhängt; und getrieben durch den Sphärenwind die Mondphasen verursacht.
Kleinere Götter taten es Méredelune
nach, und sie sind die Planeten und Sterne.“
Méredelune, die Göttin des Mondes, ist vor allen Dingen eine Gottheit der Fruchtbarkeit und des (vor allen Dingen seelischen) Heils. Méredelune gibt den Menschen in der Nacht Hoffnung und Schutz.
Sie ist – so die Priester der Eglise Nuit – die wichtigste Gottheit, die man am Himmel sieht. Die anderen Gottheiten sind Corona und Coron (die wohl zusammen die Sonne bilden? – die Schilderung war etwas unverständlich für mich. Beide zusammen geben Schutz und Wärme am Tage), Locnar (der Zerstörer), Obida (die Liebe), Tempus (der Kampf), Larinar (das Wachstum), Eonar (der Ausgleich). Es gibt noch weitere kleine Gottheiten, die allerdings uninteressant sind.
Die Priester von Méredelune halten ihre Messen nur in der Nacht und meist bei Vollmond ab, die schöpferische und heilende Kraft der Gottheit wird verehrt. Mit Hilfe des Comte unterhalten die Priester Hospitäler für Kranke und Notdürftige.
Die Kraft Méredelunes ist größer als die des Coron und der Corona, denn diese sind nur niedere Götter, die Hoffnung senden, aber nicht den BÖSEN besiegen können; Méredelune jedoch greift den BÖSEN an, sie beschützt die Gläubigen und die Hoffenden.
Die Priesterschaft der Göttin trägt Blau und Gelb. Die meisten Priester tragen einfache Mönchsgewandungen in diesen Farben. Meredelune-Priester unterliegen keinem Zölibat. Die meisten leben allerdings keusch, weil sie zuviel zu tun haben.
Die église nuit ist die gute Seele des kirsonischen Volkes. In den Klöstern gibt es Zuwendung und Hilfe. Die Geister der Zerütteten werden in den Sanatorien gepflegt. Verwunderlich nur, daß die meisten der durch und durch apathischen Bauern kein großes Zutrauen zur église nuit besitzen und die vielen Zuwendungen des Klerus ebenso ignorieren wie die Schläge der legion.
Die größte Abtei der Meredelune, das monastère de la nuit, liegt direkt an der Grenze zwischen Sanglune und Sangcoeur. Seit 596 i.Z. wird, auf Weisung des Comte, eine Universität an das Kloster angebaut. Damit befindet sich dort, hoch oben auf einer Klippe an den Ufern des Blutsees, nicht nur das Zentrum des Glaubens, sondern auch der Kultur Kirsons. Die Kanzlei der église nuit liegt in Sanglune und ist eher kleiner, dort lebt der Chancellor, der die weltlichen Angelegenheiten der Priesterschaft erledigt.
Soweit Kirson.