Viele Leute möchten gerne Klarheit. Zahlen sind da ganz gut. Bei Corona hätten wir da die Mortalitätsrate und die Anzahl der Toten im Angebot.
Es gibt nämlich zwei Zustände: überlebt oder tot. Vielleicht noch den Zustand: wir wissen es noch nicht.
Dabei ist es aber schwieriger. Wenn ein 80jähriger herzkranker Diabetiker mit Corona-Nachweis stirbt: was war es dann? Das Herz? Corona? Diabetis?
Ändert sich die Einordnung, wenn er an einem Herzstillstand stirbt? Oder absurder: nach einem Schwächeanfall, weswegen er aus dem Krankenhausfenster fällt?
Was ist mit Spätschäden? Wir wissen nämlich noch nicht viel darüber, in welchem Maße und in welcher Form wegen Corona Beatmete solche davon tragen.
Ein anderes Thema ist das mit dem Mundschutz oder Immunität früherer Erkrankter: hilft ein Mundschutz? Kann man sich bei einem früheren Erkrankten anstecken? Und reichen 1,50m Abstand?
Die Antwort ist: nein. Und ja.
Weil es ein Thema berührt, dass den meisten Leuten Angst macht: Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Wenn ich einen Mundschutz trage, dann verringere ich die Chancen, einen anderen anzustecken, da die mit Flüssigkeit ausgegebenen Viren zu einem gewissen Teil dann im Mundschutz bleiben.
Je besser der Mundschutz, desto weniger kommt durch. Die Chance wird aber nicht 0.
Wenn ich Abstand von anderen Menschen halte, dann verringere ich damit die Chance, von diesem Menschen angesteckt zu werden oder ihn anzustecken. Sie ist aber bei 1,50m nicht 0%. Auch nicht bei 2m. Und sie ist vermutlich auch bei 1m nicht hoch, solange ich nur atme.
Die Chance steigt aber, wenn ich mehr atme. Beispielsweise wenn ich heftiger atme wie während oder nach Sport oder wenn ich rede oder noch schlimmer: wenn ich huste.
Selbst wenn ich einen Abstand von 5m habe und dann durch das Gebiet gehe, in dem ein anderer gerade hingehustet hat, kann ich mir Viren einfangen.
Jetzt gibt es ja die Theorie, dass ein früherer Erkrankter immun wird. Das ist toll – je mehr Erkrankte, desto besser, die werden ja ungefährlich.
Ein früherer Erkrankter kann aber auch Überbringer der Viren sein. Beispiel: Erkrankter hinterlässt Viren auf Einkaufswagenstange, der früherer Erkrankte nimmt die teilweise mit und nimmt eine Melone aus dem Regal, findet die nicht gut, hinterlässt dort ein paar von den Viren, der nächste nimmt die Melone und dabei auch gleich die Viren.
Mal abgesehen davon funktioniert das Immunsystem nicht so, dass die Viren in die Nähe des Körpers kommen und sterben. Es kümmern sich nur schnell Immunzellen drum, aber nicht in 0-Zeit.
Bevor jetzt jemand panisch wird: Das schwierige ist, dass man ein Gefühl dafür entwickeln muss, wie hoch das Risiko jeweils ist und wann und wie man es mitigieren, also eindämmen muss.
Und dafür wäre es leider am besten, wenn jeder einzelne lernen würde, in Wahrscheinlichkeiten zu denken, statt in Schwarz-Weiß-Bildern. Und die Unsicherheit nicht zu fürchten, sondern mit ihr zu leben.
(Bei der Clean Code Developer Initiative gibt es eine Tugend Embrace Uncertainty mit ein paar Prinzipien, wie man mit Unsicherheit umgehen kann => für Programmierer auf jeden Fall zu empfehlen.
Nebenbei hilft gegen Unsicherheit ein bisschen, wenn man Daten sammelt. Und wenn man damit lebt, dass man nie alle Daten haben wird und dass Daten auch Widersprüche enthalten können.