Als ich Kind war, habe ich einfach Hefte und Schnellhefter genommen, meinen Namen und das Fach draufgeschrieben und fertig war es.
Heute hat jedes Fach seine Farbe. Noch schlimmer: jeder Lehrer hat für jedes Fach eine eigene Farbe. In Religion war es letztes Jahr Malve. Dieses Jahr gibt es dann eine neue Lehrerin, die möchte lieber Karmesinrot. Ich warte noch auf Marketing, da kommt wohl die Farbe Slime.
Früher haben wir nicht nach Farben geguckt, da habe ich einfach gelesen, welches Heft zu welchem Fach gehört. Aber die meisten Schüler können glaube ich gar nicht mehr so gut lesen.
„Mami, ich weiß nicht, was ich mitnehmen soll. War weiß Mathe oder Deutsch?“
Erste Eltern fragen Lehrer auch nur noch „Was hat mein Kind für eine Note in Grün?“ Das Fach interessiert eh nicht.
Die Farbe hat entweder der Schnellhefter oder noch besser: der Heftumschlag. Das Heft, das im Normalfall ein halbes Schuljahr überstehen muss und es mit Ach und Krach schafft, braucht einen Heftumschlag.
Ich habe einen Lehrer gefragt, warum diese Heftumschläge so wichtig sind. „Das ist, damit die Kinder lernen, ordentlich mit ihren Sachen umzugehen. Das ist auch wichtig für die Arbeitswelt.“
Ich habe jetzt mal mein letztes Konzept im pinkfarbenen Umschlag abgegeben. War aber nicht so der Bringer. Mein Chef meinte: noch einmal, und ich könnte mir was anderes suchen, ich könnte ja dann Lehrer werden.
Noch schlimmer: jeder Lehrer hat seinen eigenen Hefttyp. Mit Rand. Ohne Rand. Mit Rand, aber die Linien doch durchgezogen. Quadriert. Klein Quadriert. Liniert. Fakturiert. Lineaturt. Hexpapier. Möglichst Recycled. Nicht recycled weil schlechter lesbar. Und wenn man dann für das 10. Fach den 18. Hefttyp besorgt hat, fällt einem ein, dass im letzten Jahr zwei Hefte übrig geblieben sind, weil der Lehrer nur mit Kopien gearbeitet hatte. Konnte er ja zu Anfang des Schuljahrs nicht wissen, obwohl er extra 20 Euro an Kopiergeld eingesammelt hat.
Kopiergeld… die Materialien für die Schule kosten ja nichts, heißt es immer. Dennoch: die Lehrer wollen immer mehr Geld. Für Kopien. Für Sachen machen. Das gibt man auch, man will ja nicht zurückstehen. Auch wenn man sich fragt: wofür? Ich glaube, dass kommt von früher. Die Lehrer waren ja lange im Studium und sind es von da gewohnt: „Papi, schick mehr Geld.“
Apropos früher. Früher konnte man die Hefte einfach beim örtlichen Schreibwarenhändler besorgen. Schnell mal hin. Heute: bestellt man die bei amazon, weil vor Ort gar keine Schreibwarenhändler mehr existiert. Allein für das Heft zum Thema Umweltschutz – Spezialthema in Biologie dieses Jahr – ist mehr an Abgasen durch den Lieferanten rausgeblasen worden wie später eingespart werden kann.
Jedes Jahr kriege ich auch einen Zettel für jedes Kind, wo ich drauf ankreuzen muss, ob mein Kind nach Hause gehen kann, wenn der Unterricht spontan früher beendet wird. Vermutlich wenn die Lehrerin zum Strickkurs muss oder so. Jedes Jahr muss ich dann auch noch meine Telefonnummer angeben, die sich seit geraumer Zeit nicht geändert hat. Und dann muss ich noch hinter die Telefonnummer eine Erläuterung schreiben. Da wusste ich nie, was reinkommt. Dieses Jahr habe ich mal hingeschrieben: einfach die Ziffern nacheinander ins Telefon tippen. Bei Lehrern weiß man ja nie. Wobei: vielleicht hätte ich schreiben sollen, dass man erst den Hörer abnehmen muss. Und ob die schon Tastentelefone haben?
Das nächste Jahr schreibe ich einfach: „…aber nur von 9.13 bis 12.54 bei zunehmenden Mond, aber an Donnerstagen zwischen 10.24 und 11.13 lieber die Telefonnummer…“
Von der Betreuung kommt auch ein Zettel, die wollen auch die Telefonnummer. Die Telefonnummern verfallen normalerweise nach einem Jahr.
Jedes Jahr muss ich auch die Schulordnung unterschreiben. Da steht dann alles drin, was man so falsch machen kann. Das scheint mehr eine Anleitung zu sein. Zum Beispiel: bringen Sie ihr Kind nicht mit dem Auto zur Schule. Wenn es sein muss: parken sie eine Straße vorher und lassen sie das Kind nochmal 100 Meter laufen. Das ist auch zum Schutz des Kindes. Die meisten Kinder wollen gar nicht, dass die anderen Kinder die Eltern sehen. Zumindest nicht die, die ihre Kinder mit dem Auto bringen.
Wie gesagt: ist eine Anleitung, wie man es dann doch macht. Deswegen freue ich mich, dass nicht noch drauf aufmerksam gemacht wird, dass man NICHT auf dem Zebrastreifen anhält, um das Kind aussteigen zu lassen. Sonst würden das noch mehr machen. Die meisten verstehen glaube ich das Wort nicht nicht.
So eine Schulordnung ist aber auch trockener Stoff. Man muss das einfach mal in Praxis umsetzen. Da kommen die Lehrer natürlich nicht drauf. Wenn erstmal das erste auf dem Zebrastreifen stehende Auto von der Panzerfaust aus dem Rektorenzimmer abgeschossen wurde, dann parkt da keiner mehr. Und der gute Rektor wartet auch ab, bis das Kind ausgestiegen und in Deckung ist.
Die Sache mit der Panzerfaust und dem Zebrastreifen könnte ich mir auch gut in der Straßenverkehrsordnung vorstellen.