Ich mache den Fehler und lese hin und wieder Dinge. Ich habe mich deswegen mal mit der Aussage „Fahrradfahrer sollten auch für Straßen bezahlen, die bezahlen ja nur wir Autofahrer mit unseren Steuern“ beschäftigt.
Das hört sich erstmal logisch an – Steuergerechtigkeit und so.
Tatsächlich halte ich es aber für ein Autozentrische Milchmädchenrechnung.
Aber erst ein Schritt zurück: gerüchteweise sind ja Straßen erstmal für Autos da und Radfahrer und Fußgänger nur geduldet oder einfach nervig.
Das klingt erstmal logisch, denn viele Straßen sind sehr auf Autos ausgelegt.
Tatsächlich verwundert die Tatsache, dass die erste befestigte Straße 4. Jahrtausende vor Christus in Mesopotamien gebaut wurde. Wenn das Autos gedacht war, dann war das vielleicht so eine Berliner Flughafen-Sache. Man hat da schon mal gemacht, und dann hat es einfach länger gedauert. Leider hat Mesopotamien noch immer keine nennenswerte Autoindustrie – auf der anderen Seite ist die Straße aber auch nicht mehr erhalten.
Also: Straßen sind nicht (nur) dafür, da mit Autos von A nach B zu kommen. Ziel ist, Personen und/oder Waren schneller ans Ziel zu bringen als durch die Brombeerhecke.
Bürgersteige bauen wir theoretisch für Fußgänger. Nach dem Willen einiger Autofahrer auch für Radfahrer. Damit die beiden Gruppen nicht nerven.
Tatsächlich bauen wir Bürgersteige für Autofahrer. Es wäre erstmal kein Problem, wenn sich alle einfach die Straße teilen. Problematisch wird es, weil Autofahrer schneller vorankommen wollen und weil sie wenig Selbstverantwortung zeigen – denn Selbstverantwortung wäre, die Konsequenzen der eigenen Taten zu bedenken und für den Geschwindigkeitsgewinn keinen Fußgänger umzunieten. Anders gesagt: wir bauen Bürgersteige, um Autofahrern ihre Sonderwünsche zu erfüllen.
Jetzt die Frage: wer zahlt eigentlich für Straßen? Gerücht: Autofahrer.
Fangen wir bei den Ausgaben an: eine Studie der HTW Berlin (siehe z.B. https://www.heise.de/news/Studie-Strassenverkehr-deckt-Kostenbedarf-nur-zu-36-Prozent-6196574.html) sagt, dass die öffentliche Hand 70 Milliarden ausgibt für Straßenverkehr. Sind allerdings auch Kosten wie Verkehrspolizei und Unfälle dabei. Wir beschränken uns auf Bau und Unterhalt: 38 Milliarden. Davon kosten Autobahnen und Bundesstraßen übrigens 11,46 Milliarden. Hier ist der Anteil von Nicht-Fahrradnutzbaren Straßen nur schätzbar. Gehen wir mal von 5 Milliarden für Autobahnen aus.
Welche Steuern zahlen denn Autofahrer in ihrer Eigenschaft als Autofahrer? Genau: KfZ-Steuern. Einnahmen 2020: 9,53 Milliarden. Ziehen wir mal die 5 Milliarden ab, dann haben wir also 4,5 Milliarden für Straßen, die auch Radfahrer nutzen. Davon müssen allerdings 38-5=33 Milliarden bezahlt werden.
Kleiner Link übrigens: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1265380/umfrage/kosten-und-erloese-des-strassenverkehrs-in-deutschland-nach-fiskallogik/
Moment: Die Autofahrer zahlen doch auch für Benzin und Diesel Steuer? Jein. Nicht in ihrer Eigenschaft als Autofahrer, sondern in ihrer Eigenschaft als Energieverbraucher. Die Steuer zahle ich auch, wenn ich ein ebike auflade. Oder eine batteriebetriebene Fahrradleuchte auflade. Autofahrer zahlen recht viel an Energiesteuer, weil sie der Meinung sind, so schnell sein müssen. Kann man natürlich sagen: ohne Benzin geht es aber nicht. Einerseits geht es schon: Strom reicht für einige Autos. Andererseits: ihr wollt doch die Gerechtigkeit? Warum soll dann die Allgemeinheit dafür bezahlen, wenn ihr es nicht ohne Energie schafft? Wenn die Autofahrer wie Fred Feuerstein einfach ihre Füße nehmen würden, könnten Autofahrer auf Energiesteuer verzichten.
Falls wir übrigens doch nett wären, würden wir die Energiesteuer natürlich zugunsten der Autofahrer einrechnen. Dann müssten wir aber auch die Umweltschäden und die Schäden für die Sozialkassen bei Unfällen reinnehmen – was dann dummerweise den Batzen wieder wegfrisst (siehe besagte Studie).
Anders gesagt: Straßen werden gar nicht von Autofahrern bezahlt – das eingezahlte Geld reicht leider nicht…
Jetzt müssen wir auch mal gucken: was wäre eigentlich Steuergerechtigkeit? Wonach wollen wir besteuern?
- Existenz des Verkehrsteilnehmers. Das ist ja das, worauf meistens die Diskussion aufbaut.
- Platz, den derjenige im öffentlichen Raum einnimmt – und zwar im Verkehr und während der Ruhezeit des Fahrzeugs.
- Stunden, die er im Straßenverkehr verbraucht
- Kilometer, die er zurücklegt
- Schaden, den er an der Fahrbahn anrichtet
Bei 2. Bis 5. käme man dann vermutlich zu der Überzeugung, dass nicht Autofahrer verlangen müssten, dass Radfahrer besteuert werden, sondern dass Radfahrer eine weitaus höhere Besteuerung von Autofahrern verlangen müssten…
Ein interessantes Nebenthema ist übrigens von vornerein, dass viele Radfahrer auch KfZ-Steuern zahlen, weil sie einfach ein Auto benutzen. Und während sie Fahrrad fahren, nutzen sie die Straßen viel weniger ab. Dann müsste man bei Radfahrenden Autofahrern eigentlich KfZ-Steuer für ihren Radfahranteil zurückzahlen…