Waffen schicken oder nicht?

Es ist meiner Ansicht nach verantwortbar, aber nicht alternativlos, schwere Waffen zu schicken. Wir haben da ein klassisches Dilemma: beide Lösungen (schicken / nicht schicken) können positive und negative Effekte haben. Eher negative. Und es gibt ja nicht nur zwei Lösungen, sondern eigentliche einen mehrdimensionalen Entscheidungsraum mit jeweils mehr als An/Aus-Entscheidungen.

Wenn wir die Waffen schicken, sollten wir dann jedoch ehrlich zu uns sein.

Was meine ich damit:

1. Frage: wenn wir schwere Waffen liefern, sind wir Kriegspartei?

Rein rechtlich: „Nein. Doch. Oh.“ Da streiten die Gelehrten. (Es kommt dann noch auf die Rahmenbedingungen an)

Rein faktisch: wenn ich auf dem Schulhof eine Prügelei sehe und dann dem einen Schlagring gebe, könnte der andere vielleicht das Gefühl bekommen, ich hätte den einen unterstützt.

Deswegen:

Wir greifen in den Krieg ein und übernehmen die Gegnerrolle, die Russland uns eh zugedacht hat.

2. Frage: wie ist denn so die Ukraine und der frühere Umgang mit ihr?

Die Ukraine liegt bei der Pressefreiheitsliste der Reporter ohne Grenzen nicht in den Top 100. Aus der EU liegt nur Griechenland dahinter – noch nicht mal 100. Beim Korruptionswahrnehmungsindex ist es immerhin Platz 68 – da sind weniger Länder gelistet. Und kein EU-Land liegt dort schlechter als die Ukraine.

Wenn jetzt kritisiert wird, dass 2008 die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wurde, möchte ich einen Schritt weitergehen und drauf hinweisen, dass ich es auch jetzt für fragwürdig halten würde, sie aufzunehmen. Gleiches gilt für die EU: auch da möchte ich die Ukraine eigentlich nicht aufnehmen – sie erfüllt die Bedingungen nicht.

3. auf die Spitze getriebene Aussage: „Alle, die vorher versucht haben, mit Russland zu reden oder sogar mit Russland Geschäfte zu machen, haben sich geirrt.“

Ich fand die Zeit des kalten Krieges jetzt auch nicht so prall und die Zeit, als wir mit Russland reden konnten, eigentlich ganz gut. Bin jetzt erstaunt, dass alle, die mit Russland geredet haben, da schon lange was falsch gemacht haben – und wie die Geschichte eigentlich gelaufen wäre, wenn das nicht so gewesen wäre.

Vielleicht könnten wir eher klären, warum wir uns so stark von einem einzigen anderen Staat abhängig gemacht haben. Wobei die Antwort „das war so schön billig“ in den Sinn kommt.

4. Wir gut, Russland böse stimmt nicht.

Wir haben genug Dreck am Stecken. Gerne auch im Zusammenspiel mit unseren westlichen Partnern (siehe Kunas, Assange…).

5. Wenn eine diplomatische Isolation gefordert wird, dann überschätzen wir uns und wir verbauen uns viel.

Eine diplomatische Isolation, d.h. nicht mehr mit Russland sprechen, ist für mich ein No Go. Ich wüsste keinen Fall, bei dem ein „Mit dir sprechen wir nicht mehr“ auf diplomatischer Ebene je funktioniert hat – bin aber kein Historiker.

Das Gespräch muss immer möglich sein.

Ich erinnere da an Schmidt: „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen“

Zusätzlich werden andere Länder wie China und Indien sowieso weiter mit Russland sprechen.